Herr R.

Herr R. hat sich vermutlich die Birne weggesoffen – leider im wahrsten Sinne des Wortes. Er ist erst 60, aber teilweise auf dem geistigen Stand eine Kleinkindes – dachte ich.

Sich mit Herrn R. zu unterhalten geht fast nicht, zudem ist er allen Bewohnern und auch uns zwo Besuchern etwas unheimlich, da er durchaus laut werden kann.

Herr R. ist nicht groß, aber irgendwie untersetzt und hat einen dicken Bierbauch, das Gesicht ist etwas zusammengeknautscht, so als ob man von oben und etwas etwas zugedrückt hätte, anders kann ich es nicht beschreiben, seltsam. Oftmals räuspert er sich sehr laut, was die anderen – mich eingeschlossen – meistens etwas ecklig finden. Es ist dieses laute, schleimige Räuspern, mit viel Flüssigkeit im Rachen – nicht schön.

Auf den Hinweis dass es Abendessen geben würde, fragte er nur laut „Und Bier?“- „Nein“, Bier gäbe es keines, aber Tee. „Schon wieder Tee“ murmelte er, aber doch so laut das man es versteht. Und auf die Frage was es zu Essen gäbe, bekommt er die Antwort „Wie immer“. Also Abendbrot+Wurscht.

Als ich vor dem Abendessen in einem Buch über Trambahnen blätterte, kam Herr R. zu mir. Das erste Mal. Er blickte mit rein. Dann sagte er plötzlich: „Die gibt es noch“. Er meinte die Tram und ich bejahte, „die hier auch noch“, sagte ich. Und so blätterten wir das Buch durch, selten mit variantenreicherer Kommunikation, außer zwei mal, als er sagte „Die Siebzehner“, womit er die Trambahnlinie meinte und er hatte Recht, wieder bejahte ich. Und einmal erzählte er dass diese „Tram jetzt schon lange nicht mehr fährt“ – auch da konnte ich nur zustimmen, denn diese Version fuhr wohl seit 1972 nicht mehr.

Danach blätterten wir ein Spaghetti-Buch durch, was er nicht für so spannend hielt. Als ich wieder zu dem Regal mit den 15 Büchern ging, fragte er „und dieses?“, aber es gab nur noch ein Buch mit größeren Bildern, ein weiteres Kochbuch. Das fand er aber spannender. Wir gingen die Gerichte Bild für Bild, Seite um Seite durch, er mag Lamm nicht so gerne und Wildgerichte auch nicht – sehr sympathisch 🙂

So hatte ich eine erste Art von Konversation mit Herrn R. Keine umfangreiche, aber immerhin. Und für den warmen Fruchtpunsch nach dem Abendessen bedankte er sich bei mir, das war sehr nett, ich hatte das nicht erwartet, sondern fragte einfach alle am Tisch – und ihm am Seitentisch, wo er immer sitzt (u.a. wg. des Räusperns und weil dann auch manchmal Essen rauskommt) .

Das ist Herr. R.